Das Schimpfen auf die WLAN-Verbindung der Deutschen Bahn ist mittlerweile ebenso Tradition wie das Schimpfen auf Zugverspätungen. Nach den Umbauten und der Anfang 2017 installierten Netzwerk-Infrastruktur in den ICE-Zügen ist das zumindest im Fernverkehr eher ein Problem der Mobilfunk-Netzbetreiber. Wie funktioniert das WLAN in den Zügen – und wo entsteht das Nadelöhr? „t3n“ liefert die Antworten.
Die schlechte Nachricht vorweg: Die Wagenkästen und die Fenster der ICE-Züge lassen kaum Mobilfunkverbindungen ins Innere der Züge. Die Fenster sind mit Metall bedampft und dämpfen somit das Mobilfunksignal, ebenso die Karosserie des Zuges. Dadurch verlieren Endgeräte Leistung, und die Sende- und Empfangsqualität sinkt.
Damit Fahrgäste im Zug trotzdem telefonieren und surfen können, nutzt die Bahn zwei Technologien: Indoor-Repeater – Verstärker, die das Mobilfunksignal mit einer außen am Zug montierten Antenne aufgreifen und ins Innere weiterleiten – sowie eine separate WLAN-Infrastruktur.
WLAN im ICE: Die Technik in den Zügen
In jedem ICE hat die Bahn einen Server mit einem Icomera-Router installiert, der über integrierte LTE-Modems auf die drei deutschen Netzbetreiber zugreift – jeweils zwei SIM-Karten pro Netzbetreiber, also insgesamt sechs pro Router, sind im Einsatz.
Von diesem Router führen als Backbone Glasfaser-Netzwerkkabel zu jeweils zwei WLAN-Access-Points pro Waggon. Die dazugehörige Software wie Netzwerk-Gateways und andere Dienste kommen von Ericsson.
Der Router stellt über mehrere Außenantennen die Verbindung zu den Mobilfunknetzen her und bündelt den Netzzugang. Die Access-Points wiederum stellen die WLAN-Verbindung zwischen Server und den Endgeräten der Kunden her.
Die Router unterstützen den LTE-Advanced-Standard, sofern die Netzbetreiber ihn an der Bahnstrecke anbieten. Und da nähern wir uns schon dem Nadelöhr der mobilen Internetverbindung: den Mobilfunknetzbetreibern.
Wieso ist denn das WLAN in den Zügen jetzt so grottenschlecht?
Um das richtigzustellen: Das WLAN in den ICE-Zügen ist nicht grottenschlecht. Das lokale Netzwerk zwischen Router, Access-Point und Endgeräten funktioniert meist fehlerfrei und tadellos. Dass der Internetzugang, der über das WLAN zur Verfügung gestellt wird, so oft Anlass zur Beschwerde liefert, liegt fast nie an der Bahn.
Die drei häufigsten Gründe für eine schlechte Internetverbindung im Zug:
1. Schlechte oder gar keine Netzversorgung an der Bahnstrecke
Ein oder mehrere Netzbetreiber bieten keinen schnellen Internetzugang über LTE, sondern nur Edge an. Oder einer oder mehrere Netzbetreiber bieten gar keine Netzversorgung auf dem jeweiligen Streckenabschnitt an.
Fallen ein Netzbetreiber oder mehrere weg, dann sinkt die Anzahl der verfügbaren Verbindungen. In der Folge kommen die Modems, die mit den SIM-Karten der ausfallenden Netzbetreiber bestückt sind, nicht zum Einsatz, die Verbindungsqualität und -geschwindigkeit sinkt. Oder die Netzverbindung bricht ganz ab.
2. Fehlende Repeater in Tunnels
In vielen Tunnels verlieren die Router in den Zügen die Verbindung zum Netz, da hier keine Repeater montiert sind. Die Indoor-Repeater in den Zügen sind in diesem Fall nutzlos – wo kein Signal vorhanden ist, kann auch keines verstärkt werden.
3. Die Bandbreite wird von Nutzern ausgelastet
Nutzern der zweiten Klasse stehen 200 Megabyte Datenvolumen zur Nutzung frei, danach drosselt der Router die Geschwindigkeit herunter. Innerhalb der ersten Klasse existiert theoretisch keine Beschränkung, trotzdem könnte hier ein einzelner Reisender mit dem Download sämtlicher „Game of Thrones“-Staffeln eher nicht das gesamte Netzwerk lahmlegen.
Die Router verteilen die verfügbare Bandbreite an alle Passagiere. Auch wenn die Nutzung im gesamten Zug addiert zulasten der Bandbreite geht, bezieht sich das letzte Szenario weniger auf die Auslastung der internen Router als auf die verfügbare Bandbreite, die von den angeschlossenen Netzen zur Verfügung gestellt wird. Sind viele Nutzer in den Mobilfunkzellen angemeldet und erzeugen Datenverkehr, dann sinkt die verfügbare Bandbreite netzbetreiberseitig.
Die Netzversorgung an den Bahnstrecken ist immer noch schlecht
Die Netzbetreiber müssen also eine bessere Netzversorgung und mehr Bandbreite zur Verfügung stellen. Vodafone antwortet auf unsere Twitter-Anfrage: „Wir modernisieren unser Netz entlang der deutschen Autobahnen, ICE-Hauptstrecken und der größten deutschen Flughäfen.“ Vodafone hatte Mitte 2018 angekündigt, bis Ende 2019 alle ICE-Hauptstrecken flächendeckend ausbauen zu wollen.
Die Telekom verweist auf einen Link. Zur Bahnversorgung sagt dort Walter Goldenits, der Technik-Chef: „Wir wollen die Bahnversorgung signifikant verbessern.“ Er verweist auf Komplikationen bei der Standort-Akquise, sowohl bei der eigentlichen Standortfindung als auch bezüglich der Genehmigung der Standorte. Als Beispiel führt Goldenits einen Bannwald an, ein erhaltenswertes Waldstück, in dem die Genehmigung verweigert wurde.
Telefónica hat sich auf die Twitter-Anfrage vom 15.11.2019 bis heute nicht geäußert.
Bei beiden Netzbetreiber-Aussagen ist hervorzuheben, dass nur die Hauptstrecken erwähnt und zu den Nebenstrecken keine Aussagen getroffen werden. Die Hauptstrecken sind bei der Deutschen Bahn definiert als Strecken, auf denen im Ein-Stunden-Takt ein ICE verkehrt. Auf diesen Strecken verkehren rund 98 Prozent der Reisenden.
Fazit: Die WLAN-Verbindung der Deutschen Bahn ist selten schuld, das Problem liegt in der verfügbaren Bandbreite und der generellen Netzabdeckung der Bahnstrecken durch die deutschen Mobilfunknetzbetreiber.